Eva-Maria Neubauer

Wollennylonzahlentod
Gedanken zu Eva-Maria Neubauers Werk
„...Wenn die Tassen in Massen sich einfach fallen lassen. Wenn Scheren sich wehren und dir den Krieg erklären. Mein Kühlschrank hasst mich sowieso, er ist paranoid. Doch als mein Bettbezug mich beißen wollte, wusste ich, ich brauche Dynamit. Und ich schlafe in der Dusche, weil die Dusche zu mir hält. Sie ist der einzige Freund, den ich noch habe auf der Welt. Ja, ich schlafe in der Dusche, denn die Dusche ist normal. Diese Rebellion der Haushaltsgegenstände ist fatal...
“ Farin Urlaub, Dusche, 2005
Vieles sackt ab in Eva-Maria Neubauers Werk. Da gibt es Spannrahmen, die wollene Stick- und Webarbeiten tragen, aber nur geradeso, als könnten sie gleich in sich zusammenfallen. Es gibt flauschige Urnen mit literarischen und historischen Motiven, plastisch verformt
und innen mit einem Bausch aus Fäden verknotet, geboren aus den außen eingestickten Worten des Nachkriegsprosaikers Wolfgang Borchert. Schon 2015 schuf die Textilkonzepttäterin aus Nylonstrümpfen ein schwarzes Spinnennetz für den Tod, der Titel „Ein Sommer bei Oma“ lässt träumen und dabei leise schaudern. Es sind Atmosphären zwischen Unbekümmertheit und Tragik, wie man sie aus den Architekturen und Kunstwerken des 17. und 18. Jahrhunderts gut kennt: Jedem barocken Gegenstand ist Exzess wie Tod einbeschrieben wie in einem schillernden Kippbild, jedes Lachen hat seinen Preis. Der marmorne Totenschädel, mit dem Gian Lorenzo Bernini 1655 von Papst Alexander VII beauftragt wird, lächelt ebenso, wie Walter Faber dreihundert Jahre später in Max Frischs Roman „Homo Faber“
die lächelnden Skelettköpfe der kranken Freunde an sich vorbeiziehen sieht, und da sind Wolfgang Borcherts Kurzgeschichten kulturhistorisch schon ganz nah. Die gewohnten Gegenstände erhalten also ein plastisches Eigenleben im mitunter neobarocken, aber immer autonomen Geist der Künstlerin, sie verformen sich, rotten sich zusammen, hängen schwer an ihren Rahmen wie eine erschöpfte, abstrakte Christusfigur am Kreuz oder verspinnen chaotisch die weißen Quaderräume einer Galerie, und da spürt man, es geht Eva-Maria Neubauer in diesen Werken auch um die Dialektik einer Welt aus Leid und fröhlicher Poesie. Ganz mühelos kann diese Welt auch in archäologische Gefilde vorstoßen, wenn die Vasen sich in neuen Kontexten wiederfinden, wie als „Crypta“ im Kesselhaus des Kunstvereins Bamberg oder als exotische Kopffüßler einer „Kambrischen Explosion“ in den Räumen des Nürnberger Borgo Ensembles. Umgeben sind sie oft von genähten Nyloncollagen, die mal Ziegelwand, mal Holzspund sind oder zum fremdartigen Sockel mit abstruser Statik werden. Denn was ist ein Sockel, wenn er sein Objekt nicht stabil zu tragen vermag? Eine Zumutung ist er, und ein fabelhafter Reim auf die hehren Ideale des funktionalen Designs. Hochgradig instabil bleiben auch die Performances der Künstlerin, wenn sie 2016 im Kunstforum Essenheim stundenlang zuvor notierte Zahlenreihen rezitiert, dabei gleichsam an ihre körperlichen Grenzen und die dünnen Nervenenden ihrer Zuhörenden vorstößt, und letztlich doch – trotz Engagement und Willen – an der selbstgesetzten Aufgabe scheitern muss.
- Marian Wild -
*1988 in Kronach
lebt und arbeitet in Nürnberg
2013 - 2019 Studium an der AdBK Nürnberg
2013 - 2015 Studium der Bildenden Künste, Eva von Platen - Halermund
2015 - 2018 Studium Bildhauerei, Ottmar Hörl (Ernennung zur Meisterschülerin)
2018 - 2019 Studium der Freien Kunst, Michael Sailstorfer
2022
„Kunstpreis Nürnberger Nachrichten“, Nürnberg
„Come into the light“ Galvanigalerie, Nürnberg
„gemeinfrei“ Borgo Ensemble, Nürnberg
2021
„Kambrische Explosion“ Borgo Ensemble, Nürnberg
„home sweet home“ Kulturfestival,
Gut Wolgangshof, Anwanden
„Thriller“ Kesselhaus, Bamerg
2020
„Clearly visible“ Galerie Sima, Nürnberg
„DER RIVER“ alte Spinnerei, Leipzig
„MIMI“ AdBK Nürnberg
2019
„Absolventenausstelung“ AdBK Nürnberg
„Back up“ Studio KA, Leipzig
2018
„Kunst auf AEG“, AEG Gelände, Nürnberg
2017
„Besto of“, AEG Gelände, Nürnberg
„Flüchtlinge“ Borgo Ensemble, Nürnberg
2016
„Scheitern“ Kunsforum, Essenheim
„Millerntorgallery“, Hamburg
„mit der Peitsche ist da nichts zu machen“, Raum Zehndrei, Nürnberg
2015
„Größenwahn“ Raum Heute, Nürnberg
„Disco“ Akademie Galerie, Nürnberg
„Was willst du eigentlich von mir“
A.K.T Kunstverein, Amberg